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Lebenskunst Titel

11.   Kritik der abstrakten Negation
         der moralischen Erkenntnis
         im Positivismus

Die zweite Einschränkung bezieht sich auf die Folgen aus der Kritik an der Tugendlehre. Da diese wie alle Moral in der antagonistischen Gesellschaft widersprüchlich ist, hat der Positivismus  jegliche Moral eliminiert und das Verhalten der Menschen auf die Kalkulation des Erfolgs beliebiger Ziele in der Gesellschaft reduziert. Moral und das Nachdenken über Moral (Moralphilosophie/Ethik) ist aber nicht nur Ideologie, d. h. gesellschaftlich notwendig falsches Bewusstsein zur Herrschaftssicherung, sondern das Denken ist selbstmächtig genug, aus sich und seiner Gesellschaftsanalyse den Maßstab der Kritik an den bestehenden antagonistischen Verhältnissen zu entwickeln. Dass die Menschen die Herrschaft des Kapitals nicht nur durch eine neue Form der Herrschaft ersetzen, sondern Herrschaft von Menschen über Menschen überhaupt abschaffen, ist ein Gedanke, der nicht in der bestehenden Herrschaft und deren gesellschaftlichem Sein liegt, sondern erst durch Moralphilosophie aus ihr als bessere reale Möglichkeit des Bestehenden entwickelt werden muss. Es genügt nicht, das kapitalistische Wirtschaftssystem abzuschaffen. Erst eine emanzipatorische Perspektive führt zu einer besseren Welt, in der Glück möglich wird.

Dass Menschen nicht mehr über Ihresgleichen herrschen sollen – und sei es mittels eines entfremdeten Mechanismus -, ist nichts anderes als der aus der Vernunft begründete kategorische Imperativ, den Menschen niemals bloß als Mittel (wie in der Kapitalproduktion), sondern immer auch als Zweck an sich selbst zu behandeln (d. h. in einer „Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (Marx/Engels: Manifest, S. 482 (35)).

Ein weiteres Argument gegen die Möglichkeit, heute Moral als handlungsrelevant für die Gesellschaft zu bestimmen, ist die Tatsache, dass die Menschen in Funktionszusammenhänge eingebettet sind, die ihnen das Verhalten vorschreiben und die zumindest der Moral der Aufklärungszeit widersprechen. Ich habe oben gezeigt, dass ökonomische Mechanismen unser Leben bestimmen und uns tendenziell zum bloßen Mittel machen. Überleben in der kapitalistischen Gesellschaft heißt, sich ihren Mechanismen anpassen. Wer dies nicht tut (oder vom Kapital nicht gebraucht wird), der wird tief unter den kulturellen Durchschnittsmöglichkeiten zwar in Westeuropa noch am Leben erhalten, aber ohne Zugang zu den Kulturgütern, mit unerfüllbaren Sehnsüchten, die von der Warenwelt ihm eingeflüstert werden, bis hin zur Depression; er ist schlecht ernährt, seine sozialen Kontakte frieren ein, er wird eher krank und stirbt eher als der Durchschnitt.

Heidbrink fragt: „Leben wir nicht längst im postautonomen Zeitalter?“  Und er führt Argumente aus der Hirnforschung, der Soziologie und der Medizin an, die eine Autonomie des Menschen  - wenn nicht einfach anthropologisch – so doch für die Gesellschaft der Gegenwart bestreiten oder so stark eingeschränkt erweisen, dass jede Lebenskunst daran scheitern muss.

„Die Rede von der Bastelexistenz, dem Patchwork der Identitäten, dem flexiblen und nomadischen Selbst macht deutlich, daß die Realisierung der Selbstbestimmung in hochgradig unbestimmten Handlungsräumen stattfindet, die mit einer Überforderung des nach Autonomie und Selbstverantwortung strebenden Individuums einhergehen. Der Medizinsoziologe Alain Ehrenberg hat die Zunahme an Depressionen als Indiz interpretiert, daß es immer weniger Menschen gelingt, die sozialen Forderungen nach mehr Selbstständigkeit und Autonomie zu erfüllen. Die depressive Erkrankung bildet das paradoxe Resultat eines gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses, der das einzelne Subjekt zwar aus traditionellen Bindungen und Abhängigkeiten befreit hat, es aber in zunehmenden Maß daran scheitern läßt, die Verantwortung für das eigene Leben und Handeln zu übernehmen.“ (Heidbrink, in: Kritik der Lebenskunst, S. 276)

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Wie immer man die Erscheinungsform des Mangels an Autonomie einschätzt, solange die Menschen hauptsächlich davon leben, ihre Arbeitskraft zu verkaufen und sich fremdem Kommando in ihrer ökonomischen Existenz unterwerfen zu müssen, solange ist Emanzipation, Autonomie und selbstbestimmtes Glück nur ein zu erstrebendes Ziel, das erst jenseits des Kapitalismus erreichbar ist.

Dieses Ziel strebt aber der Positivismus nicht an, er verdoppelt nur das, was ist, in der Theorie. So sieht Heidbrink die Phänomene, zieht daraus aber keine Konsequenzen zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Er stellt die Diagnose, verzichtet aber auf jegliche Therapie.

„Das Autonomieprinzip bildete ursprünglich das Leitideal des emanzipierten Individuums, das sich aus naturwüchsigen Verhältnissen befreit, die Fesseln fremder Herrschaft abstreift und in eine unverkürzte Beziehung zu sich selbst tritt. Dieses aufklärerische Verständnis menschlicher Autonomie ist heute in sein Gegenteil umgeschlagen. Die Ausbreitung der kapitalistischen Marktwirtschaft, die Notwendigkeit der flexiblen Lebensführung und das Erfordernis des persönlichen Selbstmanagements haben dazu geführt, daß die Autonomie kein Ideal der gesellschaftlichen Emanzipation mehr bildet, sondern vielmehr ein Prinzip der Integration des Individuums in funktionale soziale Zusammenhänge.“ (Kritik der Lebenskunst, S. 273 f.)

Die dargestellten Erscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft werden vom Positivismus als Fakten hingenommen, aber nicht kritisiert. Autonomie war einmal ein „Leitideal“, ist es aber nicht mehr – basta. Also hat man sich irgendwie illusionslos mit der Unmöglichkeit von Autonomie - sei es anthropologisch, sei es als Tendenz der Gegenwart – abzufinden. Selbst die Autonomie des Geistes, die einem Denkenden heute durchaus möglich ist, wird aufgegeben, indem man sich auch intellektuell an die Verhältnisse angepasst. Da der Positivist auch sich selbst als Philosoph keine Autonomie zugesteht, kann er diese Tendenz auch gar nicht kritisieren, denn Kritik setzt einen moralischen Maßstab voraus, der wiederum zumindest autonomes Denken zur Prämisse hat. Andererseits zeigt der Hinweis auf das „aufklärerische Verständnis menschlicher Autonomie“, dass selbst der Positivismus noch nicht einmal die Phänomene erfassen könnte, ohne einen verschämten Rest an autonomen Gedanken. Dass wir heute nicht autonom sind, setzt den Gedanken der Autonomie immer schon voraus.

Konsequent zu Ende gedacht wird eine Gesellschaft bestätigt, die Menschen in ihrem autonomen Handeln drastisch einschränkt, sie zu bloßen Funktionsträgern reduziert, sodass am Ende die Vernichtung von funktionslosem Leben (Euthanasie), das Experimentieren an Menschen (Embryonengesetz) oder die Liquidierung einer überschüssigen oder ausgegrenzten Bevölkerung (Auschwitz) hingenommen wird. Wenn der Mensch zum Menschenmaterial wird, dann hat der Positivismus dem noch nicht einmal mehr gedankliche Kritik entgegenzusetzen, er verdoppelt nur die entfremdeten Zustände im Bewusstsein. Und die Systemtheoretiker und die Positivisten ordnen sich selbst in den Funktionszusammenhang der Ideologieproduzenten ein.

Höffe ist der Gedanke, dass die Menschen in Funktionszusammenhänge eingebettet sind, aus der Systemtheorie von Luhmann bekannt. Diese stellt er so dar:

„Moderne Gesellschaften bestehen nämlich aus relativ selbständigen Funktionssystemen. Und jedes von ihnen, etwa die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Politik, seien ihrer eigenen, funktionsspezifischen Normativität unterworfen, die Wissenschaft beispielsweise der Unterscheidung von Wahr und Falsch und die demokratische Politik dem Zusammen- und Widerspiel von Regierung und Opposition. Die Moral sei aber eine funktionsunspezifische Normativität, die daher in einer nach Funktionssystemen gegliederten Gesellschaft arbeitslos geworden sei.“ (S. 33)

Wäre diese Ansicht wahr, dann müsste Höffe seine Absicht, Glück und Tugendmoral zu verbinden, aufgeben. Doch er hat Argumente gegen den moralischen Nihilismus der Systemtheorie.

Die funktionsspezifische Einbettung der Personen schließe nicht aus, dass „eine funktionsunspezifische Normativität (…) gleichwohl funktionsspezifisch eingesetzt werden“ kann (S. 33). Als Beispiel könnte Höffe einen Soldaten anführen, der einen Befehl verweigert, weil er gegen die Menschenwürde verstößt. Damit dieses Argument stichhaltig wird, müsste Höffe zeigen, dass die moralische Normativität in der Gesellschaft nicht nur im Ausnahmefall in die Funktionszusammenhänge der Gesellschaft hineinwirkt, sondern diese prinzipiell bestimmt oder doch bestimmen kann. Diesen Nachweis erbringt Höffe nicht, er versucht es nicht einmal, weil dieser Nachweis in der kapitalistischen Gesellschaft unmöglich ist. Moral ist in ihr immer widersprüchlich. So bedeutet es zum Beispiel, sich für einen „gerechten“ Lohn einzusetzen, zugleich das ungerechte Herrschaftsverhältnis, das Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit, zu bestätigen.

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Menschen wie Gandhi oder Martin Luther King waren Ausnahmefälle, die auch nur dadurch erfolgreich waren, weil die jeweilige Gesellschaft von selbst in ihre Richtung drängte. Ein Lohnabhängiger, der den Diebstahl an Mehrwert, den das Kapital einsteckt, auch nur in seinem Betrieb thematisiert, wird sofort entlassen (eigene Beobachtung bei einem Arbeitsprozess). Einen Wissenschaftler aufzufordern, nicht an Massenvernichtungswaffen mitzuarbeiten, verkennt die Möglichkeiten im arbeitsteiligen Wissenschaftsprozess. Oft weiß der Wissenschaftler noch nicht einmal, ob seine Grundlagenforschung dereinst Baustein neuer Terrorwaffen werden kann.

Über das Verhältnis von Humanität und Technik in den Funktionssystemen schreibt Adorno: „In unserer Arbeit sind wir, jeder von uns, in weitem Maße nicht wir selber, sondern Träger von Funktionen, die uns vorgezeichnet sind. Nur in Schundromanen werden große medizinische Erfindungen aus Liebe zu den Menschen gemacht, oder große kriegstechnische aus Patriotismus. Unsere persönlichen Motive, und damit jenes Bereich, das man Ethik zu nennen pflegt, gehen in das, was wir als Berufstätige leisten, nur wenig und vor allem: nur vermittelt ein. Es wäre rückständig, eine Art Maschinenstürmerei auf höherer Stufe, wenn man sich so benähme, als wäre der Atomforscher unmittelbar derselbe wie das Individuum Dr. X., das die Forschung ausübt, und als müssten gar seine privaten Überzeugungen eine Art Kontrolle über seine wissenschaftliche Arbeit ausüben. Ein Ethos, das die Erkenntnis bremst, wäre äußerst fragwürdig. Die Trennung gesellschaftlicher und technischer Vernunft lässt sich nicht überwinden, indem man sie verleugnet. Wohl steht es dagegen an, dass gerade der Techniker warnt vor dem Unabsehbaren, das seine Erfindungen heute der Menschheit androhen. Seine Autorität, die Tatsache, dass er diese Potentialien viel besser einzuschätzen weiß als der Laie, werden seiner Warnung größeres Gewicht verleihen, als den von außen kommenden. Ich glaube aber nicht, dass diese Warnungen entscheiden. Ob die moderne Technik der Menschheit schließlich zum Heil oder Unheil gereicht, das liegt nicht an den Technikern, nicht einmal an der Technik selber, sondern an dem Gebrauch, den die Gesellschaft von ihr macht. Dieser Gebrauch ist keine Sache des guten oder bösen Willens, sondern hängt ab von der objektiven gesamt-gesellschaftlichen Struktur. Die Technik würde nicht nur befreit werden, sondern auch zu sich selbst kommen in einer menschenwürdig eingerichteten Gesellschaft. Wenn den Techniker heute zuweilen der Horror vor dem überfällt, was mit seinen Erfindungen geschehen mag, so ist es wohl die beste Reaktion auf diesen Horror, zu versuchen, etwas zu einer menschenwürdigen Gesellschaft beizutragen.“ (36)

Das zweite Argument von Höffe gegen den Amoralismus der Systemtheorie lautet: Die Moral beziehe sich „nicht nur auf Personen, sondern auch auf Institutionen und soziale Strukturen“ (S. 33). Danach entwickelt das Denken den moralischen Maßstab, mit dem die Institutionen und sozialen Strukturen beurteilt werden können. Dies Argument ist insofern berechtigt, als das menschliche Bewusstsein nicht in seinen Funktionszusammenhängen befangen zu sein braucht, sondern darüber reflektieren kann, z. B. aus den Erfahrungen mit den sozialen Strukturen, die praktische Notwendigkeit ihrer Negation ableiten kann – wie dies Adorno im obigen Zitat macht. Doch auch dieses Argument gegen die Systemtheorie und ihre Negation der Moral, die das Bestehende affirmiert, setzt die Analyse dieser Strukturen voraus, die Höffe nicht leistet und nicht kennt bzw. sich weigert, sie zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb kann er der Systemtheorie auch nur ohnmächtig Ideale aus der philosophischen Tradition entgegenhalten. Ideale, die sich regelmäßig an den sozialen Strukturen, die sie affirmieren und bewerten sollen, blamieren.

Die kapitalistische Gesellschaft funktioniert nicht nach den Kriterien der Moral, jedenfalls nicht nach einer allgemein menschlichen Moral, etwa nach den drei Formen des kategorischen Imperativs und seinen Konsequenzen, wie sie Kant entworfen hat. Konnte Kant noch die Illusion haben, dass in der bürgerlichen Gesellschaft die Menschen sich allmählich moralisieren, ist dies spätestens nach der Marxschen Kapitalanalyse unmöglich anzunehmen. Dennoch haben die Systemtheorie und der Positivismus gegenüber der Moral nicht recht. Das Argument von Höffe, die Moral könne auch die sozialen Strukturen und Funktionszusammenhänge beurteilen, ist richtig, wenn Moral zur Kritik an der Unmoral dieser Strukturen wird. Von dieser Konsequenz will Höffe aber nichts wissen, weil seine Moralphilosophie unter der Prämisse steht, die kapitalistischen Strukturen zu legitimieren. Darin stimmt sein Idealismus mit dem Positivismus überein.

Der Alternative, positivistisch die Moral tendenziell als überflüssigen Ballast über Bord zu werfen oder mit moralisierenden Appellen unverbindliche und banale Ratschläge (Höffe) und durch eine idealisierende Verherrlichung steriler Ideen die praktische Ohnmacht zu dokumentieren, dieser Alternative stellt die Ethik des Widerstandes eine Moral entgegen, die auf Veränderung der Verhältnisse gerichtet ist. Ihre Prinzipien enthalten den Vorschein auf die bessere Möglichkeit des Bestehenden. Moral, aus den gesellschaftlichen Verhältnissen ex negativo gewonnen, wird zum Maßstab der praktischen Kritik an Verhältnissen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein verlassenes, ein unterdrücktes Wesen ist.

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12.   Was wahre Lebenskunst sein
        könnte!

Es kann nicht die Aufgabe dieser Kritik an der bürgerlichen „Lebenskunst“ sein, eine Alternative zu entwickeln. Dennoch können einige Hinweise gegeben werden, was heute Lebenskunst sein könnte, wenn sie nicht aus Ideologie besteht, sondern die vorherrschenden Tendenzen des Systems der Kapitalproduktion in ihrer Ableitung von Handlungsprinzipien berücksichtigt.

Lebenskunst, die ihren Anspruch gerecht werden will, müsste konkret anweisen, wie man sich gegen heutige Tendenzen der kapitalorientierten Politiker wehren kann, die versuchen, einen Überwachungsstaat einzurichten, die Menschenrechte (die auf soziale Rechte erweitert gehören) in ihrem Wesensgehalt einzuschränken und die demokratischen Verfahren durch Meinungsmonopole, Lobbyismus und Kungelei der Führenden auszuschalten. Sie müsste den Weg aufzeigen, wie die Menschen sich organisieren können, um die leichenträchtige Ökonomie des Kapitals abzuschaffen – denn nur jenseits des Kapitalismus wird nicht nur erst volles Glück für die Menschen möglich, sondern auf dem Spiel steht auch das Überleben der Gattung.

Wahre Lebenskunst müsste zeigen, wie sich die Menschen gegen die totale Vereinnahmung durch die bestehende Produktionsweise wehren, wie sie sich solidarisieren können, um zumindest die Tendenz zu Hungerlöhnen abzuwehren, darüber hinaus eine bessere Gesellschaftsordnung anzustreben. Nur so ist es möglich, wenigsten das heutige provisorische Glück zu erreichen. Provisorisches Glück muss das heutige Glück bleiben, weil ein glückliches Bewusstsein durch die Erkenntnis des Bestehenden nicht möglich ist. Die Verdrängung aber dessen, was im eigenen Land und in der Welt vorgeht, erzeugt innere Deformationen, kommt als Verdrängtes immer wieder verzerrt ins Bewusstsein und macht die Individuen psychisch krank. Die Lebenskunst muss zur Reflexion der inneren psychischen Dispositionen anregen, damit die Handelnden erkennen, wieweit sie bereits von den widersprüchlichen Strukturen der Gesellschaft geprägt sind.

Lebenskunst müsste deutlich machen, dass eine schlichte Anpassung an die Erfordernisse der bestehenden Gesellschaft krank macht und zur Bewusstseinsschizophrenie führt. Sie müsste eine mentale Distanz zu den gegenwärtigen Verhältnissen einüben. Und sie müsste die besseren Möglichkeiten entsprechend dem Stand der Produktivkräfte explizieren, um die Schäbigkeit der bestehenden Glücksmöglichkeiten deutlich zu machen und die Abschaffung der gegenwärtigen Verhältnisse zu intendieren.

Wahre Lebenskunst müsste den utopischen Überschuss verdeutlichen, der in großer Kunst, Literatur und Philosophie enthalten ist, wie überhaupt eine wahre Bildung, die nicht allein an den Verwertungsinteressen des Kapitals orientiert ist, sondern die Menschenbildung in den Vordergrund stellt, zur Lebenskunst gehört.

Heute kann man nur ein anständiges Leben führen, das auch tiefe innere Befriedigung ermöglicht, wenn man sich an der solidarischen Arbeit zur Veränderung der Gesellschaft beteiligt. Die gelungenen Schritte auf eine solidarische Gesellschaft jenseits des Kapitalismus hin können dann zu Quellen des Glücks werden.

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Literatur zur Lebenskunst

- Otfried Höffe: Lebenskunst und Moral oder Macht Tugend glücklich? München 2007. (2)

Weiter Werke der Lebenskunst, auf die ich mich beziehe, werden mit Kurztitel und Seitenangabe zitiert:

- Wilhelm Schmid: Philosophie der Lebenskunst. Eine Grundlegung, Ffm. 1998.
- Michael Foucault: Ästhetik der Existenz. Schriften zur Lebenskunst. Hrsg. v. Daniel Defert und Francois Ewald unter Mitarbeit von Jacques Lagrange. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Martin Saar. Übersetzt von Michael Bischoff, Ulrike Bokelmann, Hans-Dieter Gondek und Hermann Kocyba, Ffm. 2007.
- Kritik der Lebenskunst. Hrsg. v. Wolfgang Kersting und Claus Langbehn, Ffm. 2007. (Darin vor allem: Ludger Heidbrink: Über die Grenzen der Selbstbestimmung, S. 261 – 286.)

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Anmerkungen

  1. Theodor W. Adorno: Probleme der Moralphilosophie, Ffm. 1996, S. 248 f.
  2. Alle Seitenzahlen ohne weitere Angaben beziehen sich auf das Buch von Höffe (siehe Literaturliste).
  3. Bodo Gaßmann: Ethik des Widerstandes, Garbsen 2001.
  4. Vgl. zum Verhältnis von Kant und Hegel in der Moralphilosophie immer noch lesenswert: Pelzer, Roland: Studien über Hegels ethische Theoreme, in: Archiv für Philosophie. Hrsg. v. J. v. Kempski, Bd. 13 / 1 - 2, S. 3 - 49. Stuttgart 1964.
  5. Vgl. meine Analyse der moralischen Implikationen im Marxschen „Kapital“: Gaßmann: Kapital und Ethik, in: Erinnyen, Nr. 4, Garbsen 1989, S. 19-78.
  6. Gaßmann: Ethik des Widerstandes, Garbsen 2001, S. 157.
  7. Karl Marx: Das Kapital. Zur Kritik der politischen Ökonomie Bd. I, in:
    Marx – Engels – Werke (MEW), Bd. 23, Berlin 1966, S. 55.
  8. Gerhard Schweppenhäuser: Die ‚kommunikativ verflüssigte Moral’. Zur Diskursethik bei Habermas, in: Unkritische Theorie. Gegen Habermas, Lüneburg 1989, S. 129.
  9. Vgl. meine Kritik an Schelers Ontologie, in: Erinnyen Nr. 18, S. 24 ff. (Abschnitt 2.2.1. und 2.2.2.).
  10. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften, in: ders.: Jenaer Schriften 1801 - 1807. Theorie Werkausgabe Bd. 2, Ffm. 1977, S. 445.
  11. Vgl. zur Aggressionsproblematik, auf die sich auch Höffe beruft, die interdisziplinäre Kritik an dieser Ideologie: Plack, Arno (Hrsg.): Der Mythos vom Aggressionstrieb, München 1973.
  12. Kant: Anthropologie, in: Kant Werke Bd. 10. Schriften zur Anthropologie Geschichtsphilosophie Politik und Pädagogik. Darmstadt 1975, S. B 313 ff.
  13. Höffe zitiert Kants Aufsatz über Anthropologie in einem nebensächlichen Aspekt, um die Kritik an einer abstrakten Bestimmung der Natur des Menschen durch Kant zu entgehen und ihn sich einzuverleiben – entgegen der Textgrundlage, vgl. S. 47.
  14. Horkheimer, Max (1935): Bemerkungen zur philosophischen Anthropologie, in: Zeitschrift für Sozialforschung. Hrsg. v. Max Horkheimer. Jahrgang 4, Paris (dtv reprint 1980, München), S. 96 f.
  15. Vgl. meine Kritik an Scheler Kriegsapologie, in: Erinnyen Nr. 18, S. 48 ff. (Abschnitt 2.8.4.).
  16. Herbert Marcuse: Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären    Staatsauffassung, in: Faschismus und Kapitalismus. Theorien über die sozialen Ursprünge und die Funktion des Faschismus. Hrsg. v. Wolfgang Abendroth. Eingeleitet von Rüdiger Griepenburg, Jörg Kammler und Kurt Kliem, Ffm. 1974, S. 41.
  17. Die Weisheitsbücher der Ägypter. Lehren für das Leben. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von Hellmut Brunner, Zürich und München, 1991, S. 114.
  18. A.a.O., S. 19.
  19. A.a.O., S. 21 f.
  20. Sophokles: Antigone, Stuttgart 1977, S. 16 (Reclam 659)
  21. A.a.O., S. 21.
  22. Demokrit: Fragmente zur Ethik, Stuttgart 1996, S. 111 (Reclam 9435)
  23. A.a.O., S. 113.
  24. A.a.O., S. 111.
  25. A.a.O., S. 113.
  26. Karl Marx: Das Kapital Bd. III, in: MEW Bd. 25, S. 254.
  27. Unkritische Theorie. Gegen Habermas. Hrsg. von Gerhard Bolte. Beiträge
    von Christoph Türcke, Rolf Johannes, Ulrich Sonnemann, Heide Berndt,
    Hans-Ernst Schiller, Gerhard Schweppenhäuser, Lüneburg 1989.
  28. A.a.O., S. 140.
  29. Vgl. Gaßmann: Glück, in: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und
    Wissenschaften. Hrsg. v. Hans Jörg Sandkühler, Band 2, Hamburg 1990,
     S. 470 – 473, das Hegelzitat ist ebenfalls dort ausgewiesen.
  30. Karl Marx: Das Kapital. Zur Kritik der politischen Ökonomie, in:
     Marx – Engels – Werke (MEW), Bd. 23, Berlin 1966, S. 201.
  31. Zitiert nach Gaßmann: Glück, a.a.O., S. 471 f.
  32. Gaßmann: Glück, a.a.O., S. 473.
  33. Hegel: Phänomenologie des Geistes, Ffm. 1980, S. 283.
  34. A.a.O.
  35. Marx/Engels: Das Kommunistische Manifest, MEW Bd. 4 S. 482.
  36. Adorno: Vermischte Schriften I/II: Über Technik und Humanismus.
    Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 20.1, S. 315-316.

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Letzte Aktualisierung:  08.09.2008